Fortwährende Krise oder anhaltendes Risiko? Theorie an der Schnittstelle multipler Extreme.

Krisen wie die Covid-19-Pandemie und extreme Wetterereignisse sind im 21. Jahrhundert allgegenwärtig. Angesichts dessen stellt sich in der sozial- und organisationswissenschaftlichen Theorie die Frage, inwieweit bestehende Konzeptionen von „Krise“ und „Risiko“ weiterhin Geltung besitzen. Um hierüber vertieft zu diskutieren, kamen vom 29. bis 30. November 2023 zwölf renommierte Risiko- und Krisenforscher:innen zu einer Theorietagung im Freiburger Liefmannhaus zusammen. Die Tagung führten gemeinsam Assoc.-Prof. Dr. Kristin S. Scharffscher von der Universität Stavanger (Norwegen) und Tjorven Harmsen aus LegiNot (CSS Uni Freiburg) durch und wurde gefördert von der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg.

Krisentheorie und Risikotheorie haben sich (neben der Notfall- und Katastrophentheorie) relativ getrennt voneinander etabliert, mit jeweils eigenen Schwerpunkten, Diskursen und Wissenschaftler:innen. Mit der Tagung wurden deshalb nicht nur bestehende Konzepte von Krise und Risiko auf den Prüfstand gestellt, sondern auch das Gespräch zwischen den verschiedenen Ausrichtungen vertieft. „Krise“ ist klassischerweise als eine Entscheidungssituation unter Bedingungen von Bedrohung, Dringlichkeit und Unsicherheit definiert. Als Ausnahmezustand macht die Situation ein räumlich und zeitlich abgrenzbares „Management“ notwendig. Allerdings kennzeichnen sich aktuelle Krisenfälle vielmehr durch verworrene Ursprünge, Überlappungs- und Kaskadeneffekte sowie durch zeitliche und räumliche Entgrenzung. Ebenso verlagert sich „Risiko“ von einem Verständnis als antizipierte Zukunft in eine konstante Gegenwart. Das Außergewöhnliche, bis hin zur existentiellen Bedrohung, wird zunehmend normal. Und das bedeutet auch, dass Begriffe und Konzepte, die zuvor im Gegensatz standen, im gemeinsamen Zusammenhang diskutiert werden müssen. Neben einer kritischen Überprüfung bestehender Risiko- und Krisenkonzepte diente die Tagung weiterer Theorieentwicklung. Geplant sind Folgeveranstaltungen dieser Art sowie gemeinsame Veröffentlichungen, etwa im Rahmen eines Special Issue im European Journal for Security Research (Springer).

Das Programm zur Tagung finden Sie hier.

Foto: Alina Radchenko

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